Eine provokante Frage für den Anfang. Warum sollen wir uns mit Umweltschutz auseinandersetzen?
In einer fernen Zukunft, in rund 500 Millionen Jahren oder sogar etwas später, wird die Erde für uns Menschen nicht mehr lebensfähig sein. Egal, was wir in der Zwischenzeit noch so alles auf unserem Heimatplaneten anstellen. Das ist der natürliche Lauf der Dinge oder besser des Kosmos‘.
Warum, also, sollen wir uns um den Umweltschutz kümmern, wenn es doch schlussendlich umsonst sein wird?
Umweltschutz ist überbewertet
Es ist unstrittig, dass es in der Geschichte unserer Erde, die rund 4,5 Milliarden Jahre alt ist, schon mehrfach Phasen gegeben hat, in dem alles Leben auf dem Planeten verschwunden ist, nur um sich viele Jahrhunderte später wieder neu zu entwickeln.
Das wird genauso wieder passieren.
Auch das ist unstrittig.
Das derzeitige Massensterben von Fauna und Flora und der Klimawandel würden also auch ohne menschlichen Einfluss wieder irgendwann passieren. Wir wissen nicht, wann. Aber wir wissen, dass das so ist.
Auch das ist unstrittig.
Der Einfluss des Menschen ist allerdings dabei so gross, dass er diesen Prozess rasant beschleunigt. Natur, Ökosysteme und Planet Erde haben somit viel weniger Zeit und Spielraum, sich auf diese einschneidenden Veränderungen einzustellen. Durch die verschiedenartigen nicht-natürlichen Einflüsse fällt diese Anpassung noch schwerer als ohnehin schon und beschleunigt das natürliche Ungleichgewicht weiter.
Auch das ist unstrittig. Auch wenn gegen diese Erkenntnis seitens von manchen Politikern und Wirtschaftslobbyisten oft und lautstark vorgegangen wird.
Trotzdem:
Vor gar nicht allzu langer Zeit traf ich mich mit einem guten Freund, nennen wir ihn Thomas, mit dem ich gerne und intensiv über alle möglichen Themen diskutieren kann. Bei Cocktails sassen wir in einer gemütlichen Bar in Berlin-Kreuzberg und tauschten unsere Gedanken aus. Und dabei fragte er mich:
„Jana, jetzt mal eine provokative Frage: Warum sollen wir uns um Umweltschutz kümmern, wenn unser Planet doch sowieso irgendwann verschwinden wird?“.
Baff.
Das war ein Wirkungstreffer.
Ich konnte ihm diese Frage nicht beantworten. Mein Mund öffnete sich, wollte antworten, aber der Geist brachte nichts Sinnvolles zustande.
Wir mussten beide grinsen. Wohlwissend, dass das für jedwede Diskussion, egal zwischen wem, ein Totschlagargument sein kann.
Ich kann diese Frage noch immer nicht zufriedenstellend für mich beantworten. Auch jetzt noch nicht, Monate später.
Doch ich habe den starken Eindruck, dass die andauernde Debatte um die Notwendigkeit des Umweltschutzes auch eine andere Fragestellung kaschiert. Eine, die wir uns vielleicht nicht trauen, klar auszusprechen:
Ist der Mensch überhaupt in der Lage, seine eigene Gier nach immer mehr und seine Respektlosigkeit gegenüber anderen Lebewesen (seinesgleichen, Fauna und Flora) überhaupt wieder unter Kontrolle bringen?
Vermutlich ist das Thema Umweltschutz noch immer viel zu schwach aufgestellt, um eine Diskussion darüber wirkungsvoll in Gang zu setzen.
Ist Umweltschutz für dich überbewertet? (D)ein Fragenkatalog …
Es hilft, zu reflektieren. Und Fragen zu stellen. Viele Fragen. Ehrliche Fragen.
Fangen wir an.
Ein nicht abschliessender Fragenkatalog zum Thema: Ist Umweltschutz für dich überbewertet?
Weisst du, ob Schweinemastanlagen stinken?
Kannst du dir vorstellen, dich deutlicher gegen die menschenverachtende Ideologie der Profitmaximierung zu positionieren, die unsere natürliche Umgebung immer weiter auffrisst und Menschen in Armut treibt?
Hoffst du auf freies WIFI überall und zu jeder Zeit?
Wünschst du dir, noch schneller und öfter von A nach B reisen zu können, für möglichst ganz wenig Geld?
Sollen wir nicht noch mehr Infrastruktur schaffen, um auch die entlegensten Berggebiete zugänglich zu machen?
Sollte jeder Mensch auf diesem Planeten überall hin reisen können dürfen?
Ist es dir wichtig, was du isst und woher dieses Essen stammt?
Gehörst du auch zu denjenigen, die ungeniert gerne und viel shoppen? Ehrlich!?
Sollten wir, die Menschheit des Planeten Erde, nicht doch einmal in Erwägung ziehen, unser ungebremstes Bevölkerungswachstum in geordnetere Bahnen zu lenken?
Gehören wir Menschen zur Natur?
Kennst du deinen ökologischen Fussabdruck?
Unterstützt du die Gepflogenheiten der industriellen Landwirtschaft?
Ist es wichtiger, neue Grossprojekte zu stemmen, die Arbeitsplatze schaffen, auch wenn dafür intakte Natur oder seltene Arten unwiederbringlich verloren gehen?
Sollen wir nicht alle viel öfter zu Fuss unterwegs sein? Im eigentlichen und im übertragenen Sinne?
Brauchst du regelmässig das neueste Smartphone, Tablet oder andere digitale Gadgets?
Wärest du bereit, auf einen Teil deines Einkommens oder deines Lebensstandards zu verzichten, damit es anderen Menschen oder der Natur besser geht?
Wünschst du dir beheizte Fusswege im Winter oder automatische abkühlende Schattenspender im Sommer?
Stellen wir uns auf Klimaflüchtlinge genauso ein wie auf Armuts- und Kriegsflüchtlinge?
Wie soll unser eigentlich so schöner und reizvoller Planet Erde in 20 Jahren aussehen?
Müssen wir uns um unsere tierischen Mitbewohner und um funktionierende Ökosysteme kümmern? Sind wir Menschen dafür nicht zu überlegen? Oder gerade deshalb?
Wie schaffen wir es, dass unsere Bereitschaft zur Reflexion über und zur Zustimmung für Umweltschutz nicht nach einem besonderen Erlebnis in der Natur oder mit dem Ende dieses Artikels abrupt aufhört?
Wieso soll eigentlich immer ich gleich die Welt retten?
Mal ganz ehrlich …
Wer will sich schon in seinem ohnehin schon überfluteten und durchorganisierten Alltag mit noch mehr Fragen auseinandersetzen müssen?
Also besser einfach so weitermachen wie bisher?
Macht doch nichts.
In rund 500 Millionen Jahren ist doch sowieso Schicht im Schacht.
Nach mir die Sintflut.
Angenehmer lässt es sich doch nicht leben.
Umweltschutz ist nicht überbewertet
Wusstest du, dass ein altes lyrisches Indianergesetz besagt:
„Wer ein Unrecht nicht verhindert, der ist genauso schuldig wie der Mann, der es begeht.“
[Anmerkung: Das gilt für Menschen, die von diesem Unrecht wissen.]
Das finde ich gut. Und richtig. Es entlässt niemanden aus seiner Verantwortung. Einfach wegschauen ginge dann nicht mehr so einfach.
Vielleicht müssen wir uns in der Tat mehr und häufiger ehrliche Fragen stellen.
Und dann auch den Mut haben, sie auch zu beantworten. Uns selbst und zusammen mit anderen.
Entscheidungen fällen. Verantwortung übernehmen. Und einfordern.
Denn nur Kritik an sich hilft auch nicht weiter.
Die eigentliche Ironie liegt in der Tatsache, dass wir Menschen sehr wohl in der Lage wären, mit unserem heutigen Wissenstand und dem technischen Fortschritt, sehr viel mehr für den Umweltschutz zu tun und dem Klimawandel nachhaltig Einhalt zu gebieten.
Wir müssen lediglich massvoller werden. Massvoller werden wollen. Dann können wir es auch.
Dann ist es auch egal, ob und wann unsere Erde auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
Was sind deine Gedanken dazu? Wie hättest du Thomas‘ Frage beantwortet? Wie kann zuFussunterwegs unterstützen?
#planetearthfirst
(Die Inspiration für diesen Artikel habe ich aus einem Editorial des „Theater am Rand“ bekommen, welches ich für das Thema Umweltschutz entsprechend abgewandelt habe.)
* Bilder gefunden auf Unsplash
unglaublich interessant und spannend geschrieben 🙂
Danke Rita, das freut mich, dass der Artikel interessant ist!