“Slow Travel ist vor allem ein Loblied auf das Ungeplante, auf das Loslassen.” (Dan Kieran)
Ich weiss nicht, wie alt du bist. Und eigentlich ist das auch nicht wichtig.
Wichtig ist, dass auch du sehr wahrscheinlich ein Gefühl kennst, dass alle Menschen in ihrem Leben erleben werden.
Das Gefühl, immer weniger Zeit zur Verfügung zu haben.
Und die Empfindung, dass die Zeit mit zunehmendem Alter immer schneller vergeht. Man gar nicht mehr fassen kann, wo die Zeit schon wieder hin ist.
Das kennst du sicher auch. Stimmt doch, oder? Deswegen ist es auch gar nicht wichtig, wie alt du bist. Sondern ausschlagebend ist, wie du mit dieser Ahnung der rasenden Zeit umgehst.
Es gibt Studien von Zeitforschern, die empfehlen, “aufregende und neuartige Erlebnisse” zu schaffen, die dir das Gefühl geben, die Zeit zu dehnen.
Das klappt am besten, wenn du beginnst, Dinge auch mal anders zu machen. Deine eigenen Routinen zu verändern. Nicht immer im täglich gleichen Rhythmus zu leben. Indem du bewusst neue, andere und auch langsamer erscheinende Erlebnisse suchst, die dir helfen dich vom hektischen Alltag klar abzugrenzen.
Nichts Hyperdynamisches oder ein Erlebnis nach dem anderen. Sondern dich besonnen und wissentlich auf einige bestimmte Begebenheiten konzentrierst.
Indem du langsamer machst.
Auf das Reisen bezogen bedeutet das: slow travel. Langsames Reisen.
Slow Travel ist eine direkte Folgeerscheinung der Slow Food – Bewegung. Die begann in den 1980er Jahren in Italien aus Protest gegen die Eröffnung eines McDonald’s in Rom.
Slow Food und slow travel gehören beide zum slow movement.
In meinen eigenen Worten sage ich dazu: es geht um die Wiederentdeckung der Langsamkeit.
In allen Bereichen des Lebens. Nicht nur beim Essen und Reisen. Sondern auch im Alltag. Beim Lesen. Warum nicht auch beim Geldverdienen oder in der Wirtschaft?
Im heutigen Artikel geht es um die Wiederentdeckung der Langsamkeit beim Reisen. Slow travel also.
Slow Travel – sei dein eigener Reiseführer
Bevor du weiterliest, überlege dir doch einmal, wie du slow travel für dich definieren würdest? Wann kannst du für dich sagen, dass du langsam reist?
…
Und, wie sieht deine Antwort aus?
Für mich persönlich sind es fünf Merkmale, die langsames Reisen ausmachen:
- Sich Zeit nehmen – ohne Stress, Hektik und eng gefüllten Zeitplan unterwegs sein
- Langsam reisen von A nach B – nicht auf dem schnellstmöglichen oder direkten Weg.
- Verweilen – den Moment geniessen und einfach mal bleiben können, wo es mir gefällt.
- Intensiv reisen – nicht möglichst viele verschiedene Reiseziele in einer gegebenen Zeitspanne, sondern Eintauchen in die Kultur, Landschaft und Gegebenheiten vor Ort.
- Der Weg ist das Ziel – das Leben beobachten.
Und hier kommt das Warum! Warum langsames Reisen so schön ist:
Nur so, denke ich, kannst du in eine Beziehung mit deiner Umwelt treten.
Nur so kannst du bewusst und achtsam reisen.
Nur so bist du in der Lage deiner Reise die Tiefe zu verleihen, die du dir selbst vorstellst – und die den Menschen in deiner Reisedestination auch gerecht wird.
Slow Travel – höre auf dein Bauchgefühl und folge deinem Instinkt
Das Wichtigste beim slow travel ist die Geschwindigkeit, mit der du unterwegs bist. Und die sollte langsam sein.
Edward Abbey, ein amerikanischer Naturforscher und Schriftsteller, sagte dazu einmal:
“Vom Auto aus kannst Du nichts sehen; du musst diese verdammte Vorrichtung verlassen und zu Fuß losgehen, besser noch, loskriechen, auf Händen und Knien, über den Sandstein, durch Dornengebüsch und Kakteen. Erst wenn Blut deine Spur markiert, wirst du eventuell etwas sehen.”
Ganz so martialisch muss es wohl nicht sein. Aber wir verstehen gut, was er meint.
Die Idee ist es also, langsam zu reisen. Im Grunde genommen so langsam wie möglich. Nicht mit dem Flugzeug von einem Ort zum anderen düsen. Auch nicht im Auto unantastbar durch die Gegend fahren.
Sondern – so langsam wie möglich reisen.
Warum?
Um die Veränderungen beobachten zu können, die sich von Kilometer zu Kilometer ergeben. Um das zu erleben, was dir eine hohe Geschwindigkeit verwehrt – die Menschen vor Ort, ihre Kultur, ihren Alltag, die besondere Landschaft.
Fremde nicht nur zu treffen, sondern auch kennenzulernen.
Es sind die zufälligen und ungeplanten Begegnungen, die eine Reise nachhaltig in Erinnerung belassen. Mehr als die Dutzendware an Sehenswürdigkeiten, die du im Stundentakt abgehakt hast.
Höre auf dein Bauchgefühl, wenn du langsam auf Reisen unterwegs bist. Es wird dir den richtigen Weg weisen!
Langsam reisen kann einfach sein. Es kann aber auch beschwerlich sein. Manches muss man sich hart erarbeiten oder erkämpfen. Meist lohnt sich das, denn das Glücksgefühl hinterher ist umso grösser.
Slow Travel heisst in seiner langsamsten Form, zu Fuss unterwegs zu sein.
Aber nicht nur. Sondern es gibt auch viele andere Möglichkeiten.
So zum Beispiel die folgenden sieben Vorschläge:
#1 Auch mal von A nach B, zum Beispiel von Dorf zu Dorf, gehen. Wandern. Spazieren.
#2 Ein Ausflug mit dem Fahrrad machen, statt mit dem Mietwagen.
#3 Auf kleinen Strassen oder Nebenwegen reisen.
#4 Eine Stadt zu Fuss erkunden: die unerwartete Kostbarkeit eines Stadtspaziergangs kennenlernen. Nicht S-Bahn oder Metro nehmen. Auf Schusters Rappen durch die Strassen ziehen.
#5 Mit dem lokalen öffentlichen Verkehr reisen (Bus, Tram, Zug). Oder auch mal mit dem Schiff auf einem Fluss.
#6 Sich die Zeit und den Mut nehmen, mit Einheimischen in Kontakt und ins Gespräch zu kommen.
#7 Länger an einem Ort bleiben. Den Alltag kennenlernen. In die Umgebung eintauchen. Einen Ausflug in die Natur machen.
Der Mensch freut sich am meisten, wenn er selbst etwas geschafft hat. Denn: die Aussicht und das erlebte Glück werden umso grossartiger sein nach einem langen und beschwerlichen Weg!
Slow Travel – sei offen für Neues und Unerwartetes
Löse dich auf deiner Reise von Vertrauten. Finde den Mut, Neues auszuprobieren. Lasse es zu, dass dich Unerwartetes überraschen darf.
All das wird dir helfen, deine Sinne zu schärfen und die Welt um dich herum mit anderen Augen zu betrachten. Neue Blickwinkel zu entdecken. Neue Sichtweisen kennenzulernen.
Du wirst im Hier und Jetzt reisen, nicht in Traumwelten. Dein Bewusstsein wird sich schärfen für das, was du erlebst. Du wirst süchtig werden nach diesen kleinen besonderen und ungeplanten Begegnungen und Erlebnissen.
Diese sind es, die dir ewig in Erinnerung bleiben.
Das ist es doch, was das Reisen ausmacht? Das ist doch eine besondere Kunst des Reisens, die man gerne beherrschen möchte.
Am Ende deiner Reise steht dann die Erkenntnis, dass die Macht der Gewohnheit und der angenommenen Hektik gebrochen werden kann. Wenn man es nur will und sich die Zeit dazu nimmt.
Und dann wirst du auch feststellen, dass die Zeit für einmal nicht gerast ist, sondern du tief eingetaucht bist in das gerade zu Ende gegangene Erlebnis.
Die Zeit anzuhalten, das geht nicht. Auf Reisen aber kann man sie nachhaltig verlangsamen.
Durch langsames Reisen. Durch slow travel.
Egal in welchem Alter.
P.S.: Du findest Slow Travel als Reisekonzept interessant? Dann empfehle ich dir das Buch* “Die Kunst des Reisens” von Dan Kieran. Im Buch erzählt Kieran von den spannenden und kurzweiligen Geschichten unterwegs, die er aufgrund seines langsamen Reisens erlebt hat. Lesenswert!
Toller Artikel! Habe ich mir aufjedenfall gespeichert & hoffe endlich bald die Ressourcen und den Mut zu haben um mir die Zeit dafür zu nehmen 🙂
Hallo Nico,
freut mich, dass Dir der Artikel gefällt. Ich wünsche Dir die Zeit und Musse, Slow Travel einmal für Dich auszuprobieren.
Fussige Grüsse, Jana
Hallo Jana,
Du sprichst mir aus der Seele.
Ich bin nie wirklich wandern gegangen und habe 2008 einfach mal einen Fernwanderweg probiert.
War toll! Seitdem bin ich angefixt und brauche derartige Auszeiten immer mal wieder.
Außerdem hat sich das auch auf meine anderen Reisen ausgewirkt. Ich gehe es viel langsamer und entspannter an. Ein Segen!
Hallo Annik,
es freut mich sehr, dass ich Dich mit dem Artikel ansprechen konnte. Eine Wanderung zu machen, noch dazu eine Fernwanderung, ist eine wunderbare und funktionierende Möglichkeit der Entschleunigung.
Sehr schön, dass Du diese Form des Reisens für Dich entdecken konntest!
Fussige Grüsse, Jana
Hey Jana,
ein sehr schöner Artikel, der mit total aus der Seele spricht 🙂
Als ich das erste Mal ganz allein für ein paar Wochen im Ausland war (mit 17, für ein Praktikum in Frankreich), habe ich bei meiner Gastfamilie schon gemerkt, wie wunderbar es ist, woanders komplett ins Leben einzutauchen und ruhig auch mal einen sehr kleinen Ort, der nicht unendlich viele Sehenswürdigkeiten bietet, als sein “Zuhause” zu betrachten 🙂
Seitdem reise ich sehr gern slooow – und merke nicht nur, wie sich die Umgebung von Kilometer zu Kilometer verändert, sondern auch ich selbst ❤
Schöne Grüße,
Caro
Hallo Caro,
danke für Deine Gedanken. Es stimmt, dass man sich mit jeder Reise, in der man sich auch in Unbekanntes wagt, als Mensch verändert und weiterentwickelt. Oftmals bemerkt man das nicht gleich, sondern erst nach der Rückkehr nach Hause oder nach einer bestimmten Zeit.
Mit 17 für ein Praktikum ins Ausland – Respekt!
Fussige Grüsse, Jana
Slow travel – Zufuss reisen ist die beste Art sich fortzubewegen gerade verfolge ich einen Freund der per Mail, der durch Amerika läuft. Was der alles erlebt… Macht richtig Lust, selbst loszusziehen.
Hallo Daniel,
danke für Deinen Kommentar.
Hat der Freund, der durch Amerika läuft, auch eine eigene Webseite, auf der man ihn auf seinem Weg verfolgen kann? Das klingt sehr spannend und ich bin ein bisschen süchtig nach solchen Reiseberichten … :-).
Fussige Grüsse, Jana
Liebe Jana, ich danke Dir sehr für diesen tollen Beitrag! Ich bin ein großer Fan des Slowtravelns! Sei es beim Wanderreiten oder auch auf mehrtägigen Touren mit meinem Hund, intensiver und schöner kann man kaum reisen :-). Danke, dass Du mich mit Deinem Artikel daran erinnert hast! 🙂 Liebe Grüße, Christina
Hallo Christina,
danke für Deine Begeisterung. Wanderreiten, stimmt, das ist auch eine herrlich schöne Möglichkeit, langsam ein Land oder eine Gegend kennenzulernen! Überhaupt unterwegs zu sein mit Tieren bringt ganz neue Sichtweisen auf Reisen. Die erste: das Tier gibt die Geschwindigkeit vor, nicht Du selbst. Gelernt habe ich das beim Wandern mit Esel Serpolet in der Bretagne …
Fussige Grüsse, Jana
Hallo Jana,
irgendwie witzig! Ich weiß nicht mehr, wie oft ich in Paris war. Aber ich hatte es nie geschafft, auf den Eiffekturm zu stegen, war einfach viel interessanter, durch die Straßen zu laufen, die Menschen zu beobachten, oder sich ins Bistro zu setzen und sich vorzustekken, dass da Satre diskutiert hat, oder Jean Cocteau. Bin tagelang durch Santo Domingo gelaufen, und war wohl bei zehn längeren Aufenthalten gerade mal einen Tag am Strand. Dafür kannte ich dann die Stadt besser als viele Einheimische und war mit den Tauben in der Altstadt “per du”. Bei fünf Reisen und neun Monaten in Rio hab ich es immer noch nicht auf den Zuckerhut geschafft. Dafür kenn ich jetzt ganz viele Leute. Und jetzt erfahre ich, dass meine Art zu reisen einen Namen hat.
Aber außer langsam zu reisen finde ich es auch wichtig, immer wieder an diese Orte zurückzukommen. Denn nur so werden aus Reisebekanntschaften Freunde.
Liebe Grüße
Klaus
Hallo Klaus,
ich danke Dir für Deine schönen Gedanken. Und ich finde es spannend, dass Du noch nie auf dem Eiffelturm oder dem Zuckerhut warst. Das sagt mir, dass Du ganz tief in den jeweiligen Ort eintauchst. Wunderbar!
Zurückkehren an einen schönen Ort mache ich auch sehr gerne. Ich werde oft gefragt, warum ich eine Unternehmung, die ich schon mal gemacht habe, wiederhole. Warum? Weil es einfach schön war – und man die Menschen von dort wiedertrifft. Es ist schlicht schön an einen Ort zu kommen, wo sich jemand freut, Dich wiederzusehen.
Fussige Grüsse, Jana
Hey Jana,
der Artikel ist echt schön.
Er macht sofort Lust loszuziehen und die Welt auf diese bewusstere Art zu erkunden.
Zu Fuß zu gehen ist wie eine Meditation.
In seinem Tempo durch die Natur zu ziehen ist etwas einzigartiges.
Alles Liebe
Patricia
Hi Patricia,
es freut mich sehr zu lesen, dass Du das zu Fuss unterwegs Sein ebenso geniessen kannst wie ich und die Besonderheit, die ihm innewohnt, zu schätzen weisst.
Klasse!
Fussige Grüsse, Jana