Gerade habe ich das Buch “Norwegen der Länge nach: 3000 Kilometer zu Fuß bis zum Nordkap” gelesen, oder besser verschlungen.
Umso mehr freue ich mich, dir heute einen grossen Norwegen-Liebhaber im Interview vorstellen zu können: Dörte Giebel.
Dörte habe ich auf der DNX, der Konferenz für Digitale Nomaden in Berlin kennengelernt, als der Zufall es wollte, dass wir uns nebeneinander setzen. Umso grösser war der Zufall, als wir dann feststellen, dass wir beide das Gehen und Wandern lieben!
Das heutige Interview bringt viele Facetten des zu Fuss unterwegs Seins zu Tage: in der Natur, im Alltag, auf Reisen und natürlich beim Wandern. Für Letzteres gilt: nicht nur in Norwegen, aber ganz besonders auch in Norwegen!
Heute erfährst du im Interview, warum:
✓ Dörte Norwegen so liebt,
✓ das Gehen für den Körper und Geist so wichtig ist und
✓ Wandersandalen als Zweitschuhe ein Geheimtipp sind!
Los geht’s mit vielen inspirierenden Sichtweisen im Interview 3 mit Dörte Giebel auf zuFussunterwegs!
Dörte Giebel ist Distance-Learning-Expertin, Minimalistin und ein grosser Norwegen-Fan. Zurzeit nimmt sie sich eine berufliche Auszeit, um sich zu entschleunigen und all das zu tun, was sie nicht bis zur Rente aufschieben möchte. Sie hat übrigens nie einen Führerschein gemacht und es bis heute nie vermisst, nicht Auto fahren zu können. Auf nordlieben.de bloggt sie über ihre Erlebnisse in Norwegen und twittert leidenschaftlich gern, auf deutsch als @diegoerelebt und auf norwegisch als @byskribent
1. Bist Du gerne zu Fuss unterwegs – im Alltag, auf Reisen, beim Wandern oder in der Natur?
Ich bin eigentlich immer gern zu Fuss unterwegs, auch im Alltag. Statt beispielsweise mit einer Freundin im Café zu sitzen, laufe ich gern mit ihr durchs eigene Viertel und plaudere dabei.
Ich entdecke auch neue Städte am liebsten zu Fuss.
Auf Busse und vor allem U-Bahnen beim “Sightseeing” komplett zu verzichten, heisst, die Grössenverhältnisse und die Zusammenhänge einer Stadt viel besser zu begreifen. Wandern kann man übrigens auch in urbanen Räumen, also richtig lange Strecken gehen, nicht nur so von Restaurant zu Museum zu Café.
Erst vor wenigen Wochen war ich mit meinem Freund von morgens bis abends zu Fuss in London unterwegs, mit Proviant für einen ganzen Tag im Rucksack – eine grossartige Unabhängigkeit!
Demnächst lebe ich vier Wochen in Oslo, danach einige Wochen in Tromsø – überschaubare Städte, in denen es sich im Alltag sehr gut zu Fuss leben lässt. Darauf freue ich mich.
2. Du wanderst leidenschaftlich gerne in Norwegen. Was fasziniert Dich an Land und Leuten?
Das höchste Glück sind für mich lange Wanderungen durch die Natur, möglichst dort, wo wenig Menschen unterwegs sind. In Norwegen ist es sogar ausgewiesenen bekannten Wanderwegen schnell mal so, dass mir an einem Sommertag insgesamt höchstens ein Dutzend Menschen begegnen.
Ich liebe es, auf einem Fjell unterwegs zu sein, hoch genug, um bedenkenlos Wasser direkt aus den Quellen zu trinken oder aus den Bächen, die durch die Schneeschmelze gefüllt werden.
Dabei ist das klassische Bergwandern gar nicht meins, es kommt mir nicht darauf an, steile Berge zu erklimmen. Deshalb ist Norwegen genau mein Land. Du musst es nur aufs Fjell rauf schaffen (was machbar ist, auch mit Höhenangst), dann erwartet Dich in der Regel eine technisch leicht zu bewältigende und gleichzeitig abwechslungsreiche Wanderung.
Was mir an Norwegen auch sehr gut gefällt, klingt für manche komisch: Es ist das Klima! Über 25 Grad sind eh nix für mich, da geh ich echt ein. Morgens mit Daunenjacke aus dem Zelt zu müssen, schockt mich dagegen gar nicht. Nicht die Temperaturen, sondern die Lichtverhältnisse sind ja das Verlockende im hohen Norden – von der Mitternachtssonne bis zur Polarnacht.
Bei aller Schwärmerei für die Natur schätze ich Norwegen auch und insbesondere wegen der Menschen und der Kultur. Deshalb ist es mir so wichtig, fliessend norwegisch zu sprechen (ich arbeite dran!).
Ich schätze beispielsweise die norwegische Literatur sehr und lese Romane seit kurzem sogar im Original. Es kommt also nicht von ungefähr, dass mein Blog nordlieben.de mehr ein Kulturblog über Norwegen ist denn ein klassischer Outdoor-Reiseblog. Und ich mag das entspannte urbane Leben in den norwegischen Städten.
Die NorwegerInnen gehen übrigens im Alltag in der Stadt langsamer als die Deutschen, so mein Eindruck. Dafür sie wandern wirklich deutlich schneller, was bei den norwegischen Angaben für Wanderzeiten – sprich Tourlängen gemessen ins Stunden – zu ernsthaften Fehlplanungen führen kann… Obacht!
3. Welche besonderen Entdeckungen machst Du zu Fuss unterwegs?
Ich liebe es, die Details der Natur zu entdecken, die sich nur beim Gehen offenbaren, die schon beim Radfahren verborgen bleiben, weil man einfach zu schnell dran vorbei ist. Wie zum Beispiel dieses zarte Pflänzlein, das sich erfolgreich durch den Asphalt gearbeitet hat. Entdeckt hat es in Wirklichkeit meine Freundin Corinna, als wir durch die Strassen von Hammerfest geschlendert sind.
Und ich entdecke beim Gehen auch immer wieder – klingt jetzt vielleicht komisch, ist aber so: meinen eigenen Körper. Beim Gehen spüre ich am besten, wo ich körperlich nicht “im Lot” bin, wo es zwickt. Ich bekomme ein Gefühl dafür, wie fit und belastbar ich gerade bin.
Es geht ja beim Gehen nicht nur ums Erleben des Aussen, finde ich. Selten ist der eigene Körper doch so präsent wie beim Gehen.
4. Welches Erlebnis zu Fuss unterwegs, egal ob ein schönes oder nicht so schönes, bleibt Dir besonders in Erinnerung? Warum?
Ich liebe das Jedermannsrecht in Norwegen, das es mir erlaubt, überall mein Zelt aufzuschlagen – das hat mir auf meinen Mehrtagestouren gemeinsam mit meinem Freund wirklich schon die allerschönsten Schlafplätze beschert! Das sind auch meine intensivsten und wertvollsten Erinnerungen – ich wüsste gar nicht, welche ich da hervorheben soll. 🙂
Vielleicht lässt mich die Erinnerung an meine ersten Wanderung dieser Art – fünf Tage und Nächte im Juni mitten durch die heftigste Schneeschmelze in Jotunheimen – wirklich am wenigsten los, weil sie einfach nicht ganz ungefährlich war. Diese Unmengen an Wassermassen, die zu Tal strömten! Es war kaum ein Durchkommen… Für Timo Peters’ Wanderführer von Norwegenfans für Norwegenfans hab ich diese Wanderung aufgeschrieben.
5. Wenn Du länger unterwegs bist, was darf auf keinen Fall fehlen?
Wenn ich eine längere Strecke wandere, nehme ich immer meine wasserfesten Wandersandalen als “Zweitschuhe” mit, selbst wenn es zu kalt dafür scheint.
Zu Beginn von Mehrtagestouren, inklusive Zelt und Verpflegung, bei denen es ja auf jedes Gramm ankommt, wurde ich dafür öfters schon belächelt.
Doch dann war ich es, die ohne Not Bäche durchqueren konnte, wenn keine Brücke und auch nicht genügend Steine vorhanden waren, um alles mit Wanderstiefeln hüpfend zu bewältigen. Und meine Sandalen werden auch gern immer ausgeliehen, wenn ein spontanes Bad im See oder im Fluss ansteht, bei dem der Untergrund zu steinig oder sonstwie unangenehm für nackte Füsse ist.
6. Mit wem würdest Du gerne mal ein Stück spazieren gehen oder eine Wanderung machen?
Mit meinen Geschwistern gemeinsam pilgern, das wäre nochmal was! Wir haben letztes Jahr schonmal drüber nachgedacht, vielleicht hake ich beim nächsten Geschwistertreffen mal nach… ;).
Wenn ich mir eine “Berühmtheit” aussuchen dürfte, dann zurzeit am ehesten eine meiner aktuellen Lieblingsautorinnen, zum Beispiel Karin Fossum oder Ingvild Rishøi, um mit ihnen über ihren Prozess des Schreibens zu sprechen.
7. Wirkt sich die Entschleunigung, zu Fuss unterwegs zu sein, auch auf andere Bereiche in Deinem Leben aus? Wenn ja, wie?
Lange Zeit bin ich im Alltag viel zu schnell gegangen, eher gehastet. Ich habe dann vor einer Weile das alltägliche Gehen mit Musse geübt, jetzt klappt es schon ganz gut. 😉
Ich muss immer noch lernen, innerlich nicht zu eilen und zu hetzen und zu viel auf einmal zu wollen. Viel zu gehen, hilft dabei, dass eigene Lebenstempo zu drosseln. Mir tut das gut. Um (unter anderem) von meinem hohen Lebenstempo herunterzukommen, habe ich mir grad ein einjähriges Sabbatical verordnet.
Wo mich das hinführt, frag mich das in einem Jahr doch noch einmal! 😉
8. “Gehen ist des Menschen beste Medizin.” (Hippokrates) Weil …?
Gehen ist die beste Medizin, um Zwischenmenschliches zu heilen, weil das Gehen beim Reden hilft.
Gehen öffnet das Herz.
Gehen ordnet die Gedanken.
Und Gehen sorgt deshalb – davon bin ich zutiefst überzeugt – dafür, dass alles beim Reden viel klarer und ehrlicher zum Ausdruck kommt.
Wenn Du etwas mit einem Menschen zu klären hast, dann unternimm gemeinsam mit ihm einen ausgiebigen Spaziergang!
Hei hei Jana,
herzlichen Dank, dass Du mir diese Fragen gestellt hast, denn so hab ich nochmal ganz konzentriert über das Eine oder Andere nachgedacht. Und deshalb gehe ich gleich raus und mache einen langen Sonntagsspaziergang mit einer Freundin, die grad Redebedarf hat.
Ha det bra!
Dörte