Du stehst vor einem Bücherregal.
Die Auswahl fällt schwer, zwischen all den vielen und überzeugend wirkenden Büchern die auszuwählen, die sich als wertvoll erweisen und dich weiterbringen.
Nun bringt man als LangsamMacher naturgemäss Zeit und innere Ruhe mit. Ein gut gefülltes Bücherregal schreckt also nicht ab. Doch warum Unterstützung ablehnen, wenn sie angeboten wird?
Ich habe in letzter Zeit drei interessante und höchst unterschiedliche Bücher über Glück und Langsamkeit gelesen.
Alle drei möchte ich in diesem Beitrag vorstellen.
Warum?
1. Sie enthalten greifbare Beispiele aus dem Alltag von Menschen, die aufzeigen, dass Glück in der Langsamkeit kein ferner Wunschgedanke ist.
2. Die Inhalte sparen nicht mit kurzweilig geschriebenem Hintergrundwissen aus Geschichte und Wissenschaft, die bestätigen, dass Langsamkeit ein Segen für Körper und Geist ist.
3. Alle drei Bücher bieten realistische und leicht umsetzbare Vorschläge, um ein LangsamMacher zu werden. Sie zeigen dabei auch klar auf, was es dafür braucht.
Bei aller Leselust bitte nicht vergessen: Gut Ding will Weile haben.
Oder auch: In der Langsamkeit liegt die Würze.
Das Rezept? Zeit nehmen, um das Buch oder die Bücher auch in Ruhe durchlesen zu können und wirken zu lassen.
Dann ist der erste Schritt auf dem Weg zum LangsamMacher auch schon gemacht.
Und der ist bekanntlich am schwersten, auch wenn Lesen dafür eine angenehme Tätigkeit ist.
Buchtipp 1: Auf Glücksreise durch 13 Länder
Autor: Maike van den Boom
Kurze Zusammenfassung:
Basierend auf dem World Happiness Report, den Wissenschaftler der Columbia Universität in New York seit 2012 veröffentlichen, entschliesst sich Maike van den Boom zu einem Glücksprojekt.
Sie wählt die 13 führenden Länder dieser jährlichen Studie, also die, in denen die Menschen am glücklichsten sind, und fährt los. Mit Videokamera und Mikrofon ausgestattet, trifft sie Menschen aller Altersklassen und Berufszweige und fragt sie, warum sie glücklich sind.
Ihre Reise führt sie nach Costa Rica, Dänemark, Island, in die Schweiz, nach Finnland, Mexiko, Norwegen, Kanada, Panama, Schweden, Australien, Kolumbien und Luxemburg. Auf vier Kontinenten macht sie sich auf die Spur des Glücks.
Und sie findet es. Und wir alle, so ist sie sich nach ihrer Reise sicher, könn(t)en das auch.
Denkanstösse:
Bei der Lektüre des Buches und der literarischen Reise durch die 13 Länder fallen vor allem vier Faktoren auf, die die Menschen immer wieder als ihre Glücksfaktoren benennen. Egal, ob sie in Europa, Australien oder Mittelamerika leben.
Und diese vier Faktoren hätte ich teilweise vor der Lektüre des Buches nicht auf meinem Zettel gehabt, wenn man mich nach meinen Erwartungen gefragt hätte.
1. Vertrauen zu sich und seinen Mitmenschen haben können.
2. Hilfsbereitschaft geben und annehmen dürfen.
3. Sich Zeit lassen für die kleinen unscheinbaren Dinge des Alltags, die nicht notwendigerweise effizient sind oder anderen sinnvoll erscheinen.
4. Folge deinem Herzen. Sei du selbst. Habe ein Lachen im Gesicht.
Darüberhinaus ist die gesellschaftliche Bandbreite der Glücksempfinder sehr aufschlussreich. Der Universitätsprofessor in Kanada benennt ähnliche Glücksmacher wie eine vergleichsweise arme Mutter mit Kind in Costa Rica.
Fazit:
Die Reise durch die verschiedensten Länder und Kontinente und durch alle Bevölkerungsgruppen hindurch lässt den Leser viel über das eigene Dasein und die eigene Gedankenwelt reflektieren. Es fällt auf, dass viele Menschen gerne viel jammern, ohne das eigene Glück selbst in die Hände genommen zu haben. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den Menschen in den Glücksländern und sollte uns zu denken geben.
Ich kenne zwei der im Buch vorgestellten Länder – die Schweiz und Costa Rica – selbst sehr gut und empfinde die Aussagen der Menschen als sehr zutreffend.
Ich musste oft vor mich hin kichern beim Lesen. Genauso oft habe ich zustimmend genickt. Nicht minder häufig habe ich mir Notizen gemacht oder eine Passage markiert.
Nicht umsonst hat es „Wo geht es denn hier zum Glück?“ in die Top 5 meiner Leseliste 2017 geschafft.
Prädikat: Absolut empfehlenswert. Ein köstliches Buch!
Buchtipp 2: Auf den Spuren von Kurma, der Schildkröte
Titel: Die 7 Geheimnisse der Schildkröte. Den Alltag entschleunigen, das Leben entdecken.
Autoren: Aljoscha Long und Ronald Schweppe
Kurze Zusammenfassung:
Schildkröte Kurma führt den Leser – exemplarisch – durch die Geheimnisse ihres langen Lebens. Schildkröten sind Meister der Langlebigkeit und der Flexibilität, was sie zu einem hervorragenden Lehrmeister macht. Auf sieben unterschiedlichen Pfaden nimmt Kurma den Leser mit und lässt ihn die verborgenen und doch so wichtigen Facetten des Lebens entdecken, die sich nicht auf den ersten Blick erschliessen. Auf jedem dieser Pfade warten Hindernisse, Erkenntnisse, Rückschläge und Unerwartetes, die mit Hilfe tierischer Begegnungen dargestellt werden.
Das Ziel? Natürlich ein langes, entspanntes und ausgeglichenes Leben.
Denkanstösse:
Es sind sieben Pfade, auf die uns Kurma mitnimmt. Und natürlich ist die Langsamkeit dabei. Das ist keine grosse Überraschung, denn immerhin geht es auf zuFussunterwegs um die Wiederentdeckung der Langsamkeit.
Meine zwei Favoriten aus Kurmas Lehrbuch sind Wandlungsfähigkeit als Fähigkeit, lebendig und generell nachgiebig zu bleiben und Friedfertigkeit. Wandlungsfähigkeit sorgt dafür, nicht zum Sturkopf zu werden und Friedfertigkeit schafft es, uns immer wieder öffnen zu können, so fremd Neues auch erscheinen mag und so viel Widerstand man diesem Neuen im ersten Reflex entgegensetzen mag.
Die weiteren vier Pfade werden nicht verraten. Der ein oder andere findet sich auch hier.
Kurma setzt als Ziel ganz auf Ruhe, Stille und wohl dosiertes Nichtstun, um seinen Alltag und sich selbst auch wirklich nachhaltig entschleunigen zu können. Alle sieben Pfade führen dorthin. Die Anforderungen daran sind hoch. Es ist ein weiter Weg. Doch es ist nie zu spät, aufzubrechen.
Spannend sind die Seitenwege, die auf jedem Pfad entdeckt werden können. Der Pfad Beständigkeit zum Beispiel führt den Leser über Abwechslung, Motivation, Zielsetzung und Zielerreichung über Zuverlässigkeit und Wahrhaftigkeit hin zu Wünschen und Konsequenz.
Das ist für mich die eigentliche Stärke des Buches: Es zeigt auf, wie vielschichtig das menschliche Wesen ist und warum es so schwer ist, sein Innerstes wahrzunehmen und sich selbst treu bleiben zu können.
Fazit:
Wer Kurmas Reise durch ihr Leben und ihre Begegnungen aufmerksam verfolgt hat, wird nicht überrascht sein, dass er das Glück seines Lebens nicht dort findet, wo er es anfänglich wohl erwartet hat. Und manchmal muss man das Erhoffte nicht suchen, sondern spüren, wenn es da ist.
Angereichert mit fiktiven Kurzgeschichten über Begegnungen mit wissbegierigen Tieren, die manchmal naiv wirken, und einfachen Aufgaben zum Nachmachen kann der Leser lernen zu entschleunigen.
Das Buch eignet sich hervorragend, das menschliche Wesen mit all seinen Ausprägungen anhand von Kurmas Phantasiewelt zu spiegeln. Auch wenn mir persönlich das spielerische Element der tierischen Geschichtlein nicht so gefallen hat, wird man fündig auf der Suche nach dem Wesentlichen des Lebens und Möglichkeiten zur Entspannung und Entschleunigung.
Prädikat: Lesenswert mit einigen unerwarteten und doch wichtigen Aha-Effekten.
Buchtipp 3: Auf Nichtstun will und muss gelernt sein
Titel: Musse: Vom Glück des Nichtstuns
Autoren: Ulrich Schnabel
Kurze Zusammenfassung:
Nichtstun? Absichtslosigkeit? Wahrscheinlich löst schon der Gedanke daran Stress aus, wenn man im Hinterkopf hat, welcher anstrengender Arbeitstag wartet, was der Freizeitstress wieder alles bieten wird und was sonst noch erledigt werden muss. Dabei sollten wir doch dank digitalem Fortschritt und Effizienzstreben gefühlt mehr Zeit für die schönen Dinge des Lebens haben?
Das funktioniert leider nicht. Warum das so ist und warum anerkannt unproduktive Fähigkeiten wie Schlafen, Tagträumen, Seele baumeln lassen, Meditieren und Langsamkeit sich schlussendlich als verdammt wertvoll herausstellen, erklärt dieses Buch mit sehr gut recherchiertem Inhalt.
Eine zeitgenössische „Galerie grosser Müssiggänger“ rundet das gelungene Werk ab.
Denkanstösse:
Besonders beeindruckt hat mich das Kapitel zur historischen Entwicklung bis hin zu unserer heutigen Beschleunigungsgesellschaft. Welche Faktoren erwartet man da?
Die Industrialisierung und digitale Entwicklung, natürlich. Die Dominanz der Informationsgesellschaft, auch klar. Doch dann, eher unerwartet: die Erfindung der Uhr! Die Ausführungen, wie die Anfänge der Uhr und ihre sich daraus entwickelnden Einsatzgebiete das Leben der Menschen nachhaltig geprägt – und eingeengt hat – sind für mich augenöffnend.
Nur alleine dafür hat sich die Lektüre des Buches gelohnt.
Ulrich Schnabel stellt ausserdem das Konzept der Ruheinseln vor, um dem Dogma „Zeit ist Geld“ zu entgehen. Ruheinseln können von Mensch zu Mensch variieren. Der eine möchte verreisen (ohne grossen Aufwand), der andere verbringt seine Momente der Stille auf dem Balkon. Mich zieht es ins Grüne, in die Berge oder ich bin zu Fuss unterwegs. Es kann auch die eigene Wohnung sein. Es sind subjektive Orte des Rückzugs, an denen man Zeit für sich hat. Und nur für sich. Und nichts Besonderes leisten muss.
Wer seine Ruheinsel nicht finden kann, für den hat der Autor einen unkonventionellen Rat: Verfasse deine eigene Grabrede. Thema? „Was möchte ich, dass am Ende meines Lebens über mich in Erinnerung bleibt beziehungsweise gesagt wird?“
Wer das tut, so die Theorie, dem wird schnell klar, wofür mehr Zeit freigeschaufelt werden soll. Und genau diese Zeit findet man in seiner Ruheinsel. Dabei helfen auch die folgenden zwei Fragen für den Alltag: „Muss ich das unbedingt tun?“ und „Will ich das tun?“
Frage 1 wird überraschend häufig zu einem „Nein“ führen. Und dann? Ab zur Ruheinsel.
Fazit:
Nichtstun können ist eine hohe Kunst. Die kann man erlernen. Genauso, wie man lernen kann, sich gegen die Vorurteile, die unsere Leistungsgesellschaft gegen Nichtstuer hat, argumentativ entgegenzusetzen. Dafür braucht es geballtes Wissen und viele Fakten und Beispiele. Dieses Buch bietet all das.
Prädikat: Sehr gut recherchiert, kurzweilig geschrieben. Es lohnt, es in die Hand zu nehmen. Es fällt nicht schwer, es dann bis zum Ende nicht mehr aus der Hand zu legen. Und genau zu wissen, wie man am besten mit Nichtstun und Langsamkeit anfängt.
„Wir sind, was wir lesen und wie wir lesen.“ (Maryanne Wolf, Leseforscherin Boston Tufts University)
Wenn du nur eines der drei vorgestellten Bücher lesen möchtest, dann schlage ich Buchtipp 1 „Wo geht’s denn hier zum Glück?“ vor. Sollen es zwei von dreien sein, dann nimm noch „Musse: Vom Glück des Nichtstuns“ dazu.
Aber wie das so ist: Die Geschmäcker sind verschieden. Und das ist gut so.
Vielleicht hast du in einem gut gefüllten Bücherregal auch noch ein anderes empfehlenswertes Buch entdeckt.
Welches wäre das?
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