Ein riesiges zusammenhängendes Laubwaldgebiet, ein wertvoller Buchenurwald, mitten im grünen Herzen Deutschlands, in Thüringen. Ein Urwald. Nationalpark seit dem letzten Tag des Jahres 1997, seit 2011 gar Weltnaturerbe der UNESCO als “Buchenurwälder der Karpaten und Alte Buchenwälder Deutschlands”.
Das ist der Nationalpark Hainich, gelegen am Westrand des Thüringer Beckens, eingerahmt von den lieblichen Kleinstädten Bad Langensalza und Mühlhausen sowie der Wartburgstadt Eisenach.
Wir alle kennen die Lebensweisheit, dass jede Jahreszeit schön ist und ihren Reiz hat. Genauso wahr ist, dass jede Landschaft zu jeder Jahreszeit ihren Reiz hat.
Ich mag es besonders, nach einem meist kalten und grauen Winter im aufkommenden Frühling in die Natur hinaus zu schreiten. Genau zu dem Zeitpunkt, wenn es wieder anfängt zu grünen, zu spriessen, lebendig zu werden, die unbändige Lebenskraft zu entfalten.
Mein Reiseplan wollte es, dass ich mich genau in dieser Zeit nun in der Nähe des Hainich aufhalten sollte.
Der richtige Frühling, mit den wärmenden Temperaturen und der stärker werdenden Sonne, lässt zwar in der Tat noch immer etwas auf sich warten, trotzdem packte ich meinen frühlingshaft gelb leuchtenden Tagesrucksack mitsamt aller technischen Ausrüstung und machte mich auf, den Hainich kennenzulernen.
Ich sollte belohnt werden, denn die erste Frühlingsstimmung des reizvollen Laubwaldes konnte ich trotzdem geniessen.
3 schöne Touren möchte ich vorstellen, die einen typischen Eindruck des Hainich vermitteln und auch in die verschiedenen Gebiete im Park führen.
Im Nationalpark Hainich: Die Wildromantische
So knuffig schön wie der Name ist auch die gesamte Wanderung. Der Saugrabenweg (die rote Tour auf der Karte), zehn Kilometer lang, dem Wildschwein als Wanderzeichen folgend, lässt den Wanderer an wirklich allen Landschaftsformen im Nationalpark Hainich ausführlich teilhaben. Mit etwas, oder besser ganz viel, Glück kann man auf diesem Weg sogar eine der scheuen Wildkatzen entdecken. Ich hatte weder etwas noch viel Glück – ich wusste die Wildkatzen in meiner Nähe, ohne auch nur einen Hauch von ihnen tatsächlich mitzubekommen.
Vom Parkplatz “Fuchsfarm” aus führt der Weg über Streuobstwiesen, am Hünenteich vorbei über eine Fläche, die früher landwirtschaftlich und militärisch genutzt wurde. Seitdem die Fläche unter Schutz steht, holt sich die Natur unbändig, wild und befreit zurück, was ihr gehört. Entsprechend dynamisch ist dieser Wegabschnitt – junges Gebüsch, junge Bäume, wild wirkende Sträucher. Getreu dem Motto der deutschen Nationalpärke: “Natur Natur sein lassen”. Es soll aber noch besser kommen.
Der breiter gewordene Hauptweg, der hier für Radfahrer sehr gut geeignet ist, biegt recht abrupt links in einen jungen Buchenwald ab. Plötzlich erfreut man sich an einem sanften, unauffälligen Waldpfad, der sich an den Geländeverlauf schmiegt und schmal durch den beeindruckenden, Licht durchfluteten Wald führt. Die Wegführung ist von nun an manchmal kaum vom eigentlichen Wald zu unterscheiden, so schmal ist der Pfad, so ist er eins geworden mit dem Urwald.
Es ist März, ich stapfe nun durch eine üppig grüne, mit den weissen Blüten der Märzenbecher über und über bedeckte Bodenvegetation, auf Schritt und Tritt begleitet von betäubenden Duftwolken des genauso üppig wachsenden Bärlauchs. Dies alles mitten drin im thüringischen Urwald. Welch eine Wonne! Welch intensive und friedliche Momente!
Feuchter Boden macht den Weg rutschig, Schlamm klebt an den Wanderschuhen.Auf kurzen Passagen nur geht es leicht bergab, das reicht für die ein oder andere ungewollte Rutschpartie. Hier im wilden Brunstal braucht man das erwähnte Glück, die Wildkatzen aufzuspähen. Der Bitte, auf dem Weg zu bleiben Folge leistend und durch die Schlammpassagen abgelenkt, geht diese herrlich wildromantische Abschnitt viel zu schnell zu Ende. Man zehrt lange von diesen Eindrücken der Ruhe, der Wonne, der unberührten Natur.
Aus dem Wald wieder heraustretend, nach 2.5 grossartigen Wanderstunden, immer dem Wildschweinzeichen folgend, kehre ich über die bekannte Streuobstwiese zum Parkplatz zurück. Wenn nur eine Wanderung gemacht werden soll, dann empfehle ich voll und ganz diesen Saugrabenweg!
Im Nationalpark Hainich: Die (fast) Waldlose
Bekannt ist der Hainich für seinen grossen zusammenhängenden Laubwaldbestand, der circa 70% der Fläche ausmacht. Wer die restlichen 30% des Parks kennenlernen möchte, dem empfehle ich die Wanderung auf dem Steinbergweg (die violette Tour rechts auf der Karte). Eine eher untypische Landschaft erwartet den Wanderer, deren Charme sich auch manchmal erst auf den zweiten oder dritten Blick eröffnet. Diesem Charme kann man sich dann aber immer weniger entziehen, wenn man über die endlose Wald- und Wiesenlandschaft blickt, die sich einem beim Gehen eröffnet. Oder wenn man durch die charakteristischen grasreichen Magerrasen streift, am Rande begleitet von Gebüschen und Jungwäldern.
Der Steinbergweg, ein ebenfalls gut zehn Kilometer langer, gut ausgebauter Rundweg, beginnt am Parkplatz Thiemsburg. Gekennzeichnet ist der Weg mit dem Symbol “Ammonit”, einem lange ausgestorbenen Tier, dessen Relikte im Gebiet gefunden wurden. Dem Symbol kann man treu und sicher folgen, die Ausschilderung ist eindeutig und immer gut erkennbar.
Gute 2.5 Stunden führt die Wanderung, ohne nennenswerte Höhenunterschiede, am östlichsten Zipfel des Nationalparks entlang. Anfangs durch Laubmischwald und durch den Steingraben windet sich der nun enger gewordene Pfad durch lebendigen Buchenwald.
Im Frühjahr finden sich hier viele Märzenbecher, deren weisse Blüten weit durch den Wald schimmern. Bis auf die letzten knapp zwei Kilometer verlässt der Weg nun den Wald und schlängelt sich auf breiter werdendem Weg durch die umfangreichen Magerrasen. Weite Blicke über das flache Land, bis hin zu den kleinen, still in der Landschaft liegenden Thüringer Dörfern, begleiten den in der Landschaft einsam wirkenden Menschen.
Noch früh im Jahr unterwegs blieb mir dieses Mal die frühlingshafte Blütenpracht versagt, der rauhe Charme der Magerrasen öffnete sich mir aber mit jedem weiteren Schritt. Fast moorartig wirkt ein letztes Stück, bevor der Weg zurück durch den Buchenwald zum Parkplatz führt.
Wer jetzt die erhabenen Laubwälder aus der Nähe erspüren möchte, dem sei der Baumkronenpfad empfohlen, der ebenfalls ganz in der Nähe des Parkplatzes Thiemsburg entstanden ist. Auf maximal 44 Metern Höhe bewegt man sich mit den ehrwürdigen hohen Bäumen fast einen halben Kilometer lang nahezu auf Augenhöhe. Ein krönender Abschluss.
Im Nationalpark Hainich: Die Wechselhafte mit stetem Auf und Ab
Aus vier mach eins. Oder: man verbinde vier Rundwanderwege zu einer Tour und erlebe dabei die verschiedensten Waldtypen und Waldgesellschaften im steten Übergang. Nach gut 4.5 Stunden Wanderzeit und knapp 20 Kilometern ist eine kleine Königsetappe – landschaftlich und von den Anforderungen her – geschafft.
Vom Wanderparkplatz “Mallinde” oberhalb vom kleinen Dorf Berka vor dem Hainich starten wir die Wanderung. Für die erste Hälfte der Wanderung gilt: immer rechts halten. Los geht es auf dem Erlebnispfad Silberborn (gelb), der uns durch einen jungen, verzaubert wirkenden Wald führt.
Am frühen Morgen begleitet den Wanderer eine Klangglocke aus Vogelstimmen über dem immer dichter werdenden Laubdach. Das ist das vielstimmige Vogelkonzert des Frühlings. Ich erkenne den Ruf einer Meise und auch das Pochen eines Spechtes.
Nach knapp zwei Kilometern biegen wir rechts auf den Sulzriedenweg (violett) ab. Hier warnen Schilder vor Blindgängern und verstreut liegender Munition, was uns heute noch öfter begegnen wird. Das Gelände war bis Anfang der 1990er Jahre ein Truppenübungsplatz der Roten Armee. Die Kuppen der Hügel im Hainich sind gerundet, die Anstiege meist sanft. Ein bisschen schnaufen muss man schon, doch schon bald ist der kleine Anstieg auf steilem Pfad (Achtung, Rutschgefahr) geschafft.
Innerhalb kürzester Zeit öffnet sich ein erhaben wirkender Wald mit Baumriesen und die Spur zieht nun in weitem Bogen wieder hinab, wo der vorgeschlagene Weg, getreu dem Motto, ein weiteres Mal rechts abbiegt. Dieses Mal auf den Wanderweg Craulaer Kreuz (blau), der sich in einem schmalen Tal zu einem Saumpfad verengt. Kurze Zeit später zweigt der Weg wieder rechts ab und wird zum Sperbersgrundweg (orange).
Das Ziel ist jetzt der Wartburgblick, der das Weltkulturerbe oberhalb von Eisenach in einiger Entfernung auf einem Hügel thronen sieht. Kurze Zeit später ist Halbzeit am Craulaer Kreuz. Wer Lust auf Kaiserschmarrn und Tiroler Gaudi hat, kann hier in der HainichBaude einkehren.
Auf dem Rückweg geht es nun auf eher breiten Pfaden immer links herum und in umgekehrter Reihenfolge zurück. Wanderweg Craulaer Kreuz, Sulzriedenweg und zum Schluss wieder, leicht bergan, Erlebnispfad Silberborn.
Im Nationalpark Hainich: Organisatorisches
Anreise:
Alle drei beschriebenen Touren können mit dem Auto erreicht werden, welches auf den ausreichend vorhandenen Wanderparkplätzen abgestellt werden kann. Alternativ kann man vom ICE-Bahnhof Eisenach und mit dem “Wunderbaren Wanderbus” weiter in den Hainich reisen.
Übernachtung:
Wer fast im Nationalpark Hainich übernachten möchte, dem sei das Urwaldcamp Harsberg empfohlen.
Nationalpark-Informationen:
Alles Wichtige zum Nationalpark findet sich auf dessen Webseite oder auch in den Ausstellungen am Parkplatz Thiemsburg (beim Baumkronenpfad) oder beim Urwaldcamp Harsberg.
Fazit
Warum sollst du im Nationalpark Hainich wandern? Zu Fuss unterwegs nennt dir die folgenden 3 schlagkräftigen Gründe:
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- Den grössten zusammenhängenden Laubwald in Deutschland, einen herrlich schönen Buchenurwald, erleben.
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- Den Frühling geniessen: im März & April grössflächig Bärlauch entdecken und vom markanten Geruch begleitet werden, im Mai & Juni sich an 21 verschiedenen Orchideenarten erfreuen. Mit etwas viel Glück: Wildkatzen in freier Natur beobachten.
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- Abwechslungsreiche, dichtere und lichte, junge und erhabene Wälder, reine Buchenwälder und Laubmischwälder, mit prachtvollen Urwaldblicken, beim Wandern erforschen.
Nach diesen intensiven Erlebnissen im Nationalpark Hainich schliesse ich mit dem Motto der deutschen Nationalparks und hoffe, dich für einen Besuch unseres riesigen Buchenurwalds begeistert zu haben:
Hallo Jana,
mich hat ja spontan der Saugrabenweg angesprochen – ein super Name… 😉 Wildschweinen möchte ich dabei natürlich eindeutig nicht begegnen, aber die Wildkatzen wären schon was. Vielleicht wirklich mal eine Idee für den nächsten Frühling.
Viele Grüße
Katharina
Hallo Katharina,
in der Tat, der Saugrabenweg ist auch für mich die Schönste und vielleicht auch Wildeste der drei vorgestellten Wanderungen. Wobei die Wahrscheinlichkeit grösser ist, Wildschweinen zu begegnen als Wildkatzen.
Der Frühling ist eine schöne Jahreszeit im Hainich. Ich empfehle, Ende April / Anfang Mai zu wandern, weil es dann schon richtig spriesst und wuchert …
Fussige Grüsse, Jana
Ein sehr kompletter und gut geschriebener Artikel. Ich hoffe, viele lesen sich das gut durch und wenden Deine Tipps auch an. 🙂